Bauten: Enge Gasse 6

Haus Enge Gasse Nr. 6

Das in gotischer Zeit erbaute Gebäude besitzt drei Stockwerke. Die vier Konsolen, auf denen sie über das Erdgeschoß vorkragen, sind leider größtenteils vermauert. Die Fassade der in drei Fensterachsen gegliederten Obergeschosse schmücken Renaissancemalereien in Seccotechnik, die im Gegensatz zur Freskomalerei, welche eine feuchte Putzschicht verlangt, eine trockene Wandfläche bevorzugt (ital. al secco = aufs Trockene).

Beim Wiederaufbau des Hauses nach den großen Stadtbränden am 29. August 1727 und am 21. Juni 1824 begnügte man sich mit einer schlichten Gestaltung der Schauseite. Die aus dem 16. Jahrhundert stammende Malerei wurde nicht mehr erneuert und kam unter Verputz. Erst vor einigen Jahren kam sie durch Abbröckelung des Mörtelüberzuges wieder zum Vorschein. Im Jahre 1969 wurde sie von dem akad. Bildhauer Leopold Hollnbuchner originalgetreu restauriert.

Die in düsteren Farben gehaltenen Malereien, welche die Fenster umsäumen, zeigen Ornamente, Menschen- und Tiergestalten. Die menschlichen Figuren verkörpern, wie die ihnen beigegebenen Attribute andeuten, den Glauben (Kreuz und Kelch), die Gerechtigkeit (Waage und Schwert), die Liebe, die Standhaftigkeit (Säule), die Stärke (Dreizack) und die Hoffnung (Anker).

Laut Urbar aus dem Jahre 1491 war von diesem Gebäude einst ein verzickter Dienst an die Grundherrschaft Losenstein-Gschwendt zu reichen und als Burgfriedsdienst jährlich ein Gulden an das Bürgerspital abzuführen.

Als Eigentümer der bis zur ehemaligen Burgmauer (Schloßberg) reichenden Liegenschaft werden in den Steuer- und Grundbüchern im 16. und 17. Jahrhundert erwähnt die Händler und Gastwirte Wolfgang Jagenhofer, Siegmund Mair, Karl Antoni, Wolf Murer, Gottlieb Hofmann, Hans Stoiber, Sebastian Räber und Franz Schlißlmayr, im 18. und 19. Jahrhundert die Nadler-Familien Schwarzleithner, Klosterbauer, Lang, Piber und Mager. Die Nadler, welche hauptsächlich Schneider-, Schuster- und Kürschnernadeln, aber auch Fischangeln erzeugten, waren mit einer vom Magistrat Steyr am 21. Mai 1661 bestätigten Handwerksordnung begabt. Von 1848 bis 1904 besaß das Haus die Familie Tomitz. Bekanntlich erwarb sich Franz Tomitz große Verdienste um das kulturelle Leben in der Stadt. So arrangierte er z. B. den großen historischen Festzug anlässlich des neunhundertjährigen Stadtjubiläums und eröffnete 1880 die Suppenanstalt für Volksschüler (Tomitzstraße).

Nach dem Jahre 1904 gelangte das Gebäude in die Hände der Familien Roubitschek, Pollak und Waldburger.

Dr. Josef Ofner

(O.Ehler, E.Krobath, Bemerkenswerte Bauten der Altstadt Steyrs und ihre Besitzer, 1956. - I.Krenn, Häuserchronik der Altstadt Steyr, Diss. 1950. - H.Koepf, Bilderwörterbuch der Architektur, 1968. - O.V., Enge Gasse 6: Fassadenmalerei aus der Renaissance. Steyrer Zeitung v. 14.8.1969)

Amtsblatt der Stadt Steyr Nr. 4/1974