Bauten: Kaufmannshaus am ehemaligen Blutgassl

Das Kaufmannshaus am ehemaligen "Blutgassl" (Enge Gasse Nr. 11)

Das Kaufmannshaus am ehemaligen "Blutgassl" (Enge Gasse Nr. 11)Zwischen den Häusern Enge Gasse Nr. 9 und Nr. 11 führte im Mittelalter das "Badergassl" zur Enns hinunter. Im Volksmund hieß das schmale, düstere Gässchen "Blutgassl", da in demselben ein Graf ermordet worden sein soll. Es wurde später dem Hause Nr. 9 zugeschlagen und, wie noch heute feststellbar, vermauert.

In der Folgezeit gehörte das Gebäude vorwiegend Handelsleuten, im 18. Jahrhundert jedoch den Riemermeistern Georg und Michael Kickendorfer, dann dem. Apotheker Johann Michael Stigler. Im Jahre 1199 kaufte es der Weißwarenhändler Johann Michael Knabl um 5500 Gulden. Der erste namentlich bekannte Besitzer wird 1531 erwähnt. Es ist der Handelsmann Georg Furtmoser. Er war Stadtrichter in den Jahren 1551 bis 1553 und 1555 bis 1556, Bürgermeister von 1559 bis 1563. Mit dem Handel befassten sich auch die Nachfolger Furtmosers, so die Familien Urkauf, Ättl, Winkler, Wagner und Riß.

Der von etwa 1590 bis 1610 nachweisbare Hauseigentümer Thomas Winkler, welcher mit Venediger Waren handelte, zählte in der Zeit der politischen Gegenreformation zu den ersten Emigranten Steyrs. Valentin Preuenhueber vermerkt dies in seinen Steyrer Annalen: "In diesem Jahr (1604) begaben sich Hieronymus Händel, Karl Eisenhammer und Thomas Winkler, vornehm und vermögende Bürger, samt den Ihrigen, der Reformation halber von hier hinweg nacher Regenspurg".

Winkler dürfte es wohl gewesen sein, der an der Fassade seines Hauses die sehenswerte Kratzputzornamentik anbringen ließ. Während die Fenster nur von einer einfachen architektonischen Dekoration umrahmt sind, schmücken die Lisenen ornamentale Blätter, Blüten und Ranken. Aber auch das Einhorn-Motiv, das bekanntlich auch die Schauseite des Hauses Stadtplatz Nr. 19 ziert, tritt hier markant in Erscheinung. Die auf weiten Geschäftsreisen vielen Gefahren ausgesetzten Fernhandelsleute glaubten an die geheimnisvollen Kräfte des sagenhaften Einhorns. Nach ihrer Ansicht vermochte es genießbares Wasser aufzuspüren und vor Vergiftung zu schützen.

Zu diesem Gebäude, das heute Wolfgang Ecke besitzt, gehört auch das Haus Ennskai Nr. 6. Die Fassade desselben zeigt ein wuchtiges Rundbogentor und einfachen Sgraffitoschmuck.

Dr. Josef Ofner

(Dehio, Oberösterreich, 1958. - E.Krobath, Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit, 1957. - F.Berndt, Alte Badstuben in Steyr, 1953. - V.Preuenhueber, Annales Styrenses 1740. - J.Curling, Das nützliche Einhorn, 1955. - I.Krenn, Häuserchronik der Altstadt Steyr, Diss. 1950)

Amtsblatt der Stadt Steyr Nr. 6/1973